Lehrer lernen die Musik ihrer Schüler

Demnächst startet in Salzburg der erste Hochschullehrgang, in dem Musiklehrer sich in Pop- und Rockmusik üben und professionalisieren können.
Der große Michael Jackson zeigt auch posthum, was Musik vermag. Ende August kamen im Vorfeld des 60. Geburtstags der Pop-Ikone junge Leute von überall her nach Berlin, um eine Jackson-Choreografie einzustudieren. Die Bilder von der Open-Air-Tanzstunde, die mit mehr als 260 Teilnehmern einen Weltrekord bedeutete, vermittelten so viel Spaß an Musik und Bewegung, wie mancher Musiklehrer sie sich im Klassenzimmer wünschen würde.

Dabei hat die sogenannte Popularmusik auch im Musikunterricht längst Einzug gehalten. Derzeit seien Künstler wie Ed Sheeran oder Shawn Mendes bei ihren Schülern sehr beliebt, sagt NMS-Musiklehrerin Barbara Schönleitner. Manchmal lasse sie sie in kleinen Gruppen Popsongs aussuchen und erarbeiten. „Da kommen oft sehr spannende und ganz neue Arrangements heraus und die Kids arbeiten mit Feuereifer, weil sie bei der abschließenden Vorführung das beste und ,coolste‘ Ergebnis präsentieren wollen.“ Wenn man Schüler im Musikunterricht nach Themen frage, die sie gern behandeln möchten, stehe Popularmusik zu 90 Prozent an erster Stelle. „Viele Unterrichtsinhalte, wie zum Beispiel Stimmbildung, Rhythmustraining oder Bewegungslehre, lassen sich mit aktuellen Hits verbinden.“
Bislang kaum Pop für Lehrer
Schönleitners Zugang zu Pop, Rock, Soul oder Rap ist offenbar unverkrampft. Dabei zählt die Pädagogin, die seit sieben Jahren Musik unterrichtet, zu jener Generation von Musikerziehern, die im Studium nur am Rand mit Popularmusik in Berührung kamen. Zwar wurden an etlichen Musikuniversitäten und Konservatorien Studiengänge für Popularmusik geschaffen, die sich jedoch entweder dem künstlerischen Fach widmen oder Instrumental- und Gesangspädagogen an Musikschulen (IGP) ausbilden, nicht jedoch Lehrer für NMS oder Gymnasien.

Weiterbildung für alte Hasen
Um ihre Kompetenzen in diesem Bereich zu erweitern, wird sie ab Herbst an einer neuen Weiterbildung teilnehmen, die als Pionierprojekt gilt: Der viersemestrige Hochschullehrgang Popularmusik, der im Herbst in Salzburg starten wird, wurde von der Pädagogischen Hochschule Salzburg und der Universität Mozarteum gemeinsam konzipiert. Zielgruppe dafür sind vor allem Lehrer, die seit mehr als fünf Jahren im Beruf stehen, da für junge Musiklehrer der Umgang mit Popularmusik aufgrund von Studienreformen bereits selbstverständlich ist. „Die heutigen Studierenden haben einen großen Vorteil gegenüber jenen, die vor 20 oder 30 Jahren an den Unis waren“, sagt Leonore Donat, Präsidentin der Arbeitsgemeinschaft Musikerziehung Österreich (AGMÖ). „Diese Musikerzieher im Alter von 40 plus sind wohl auch eine wichtige Zielgruppe für den neuen Lehrgang, der überaus wünschenswert ist.“

Obwohl es sich um den bisher einzigen Hochschullehrgang dieser Art handelt, ist für dessen stellvertretende Leiterin, Elisabeth Wieland, die große Nachfrage (alle 20 Plätze sind vergeben) beeindruckend. Immerhin sei diese Weiterbildung für die Teilnehmer mit sehr viel Eigenengagement verbunden. Es werde in Kleingruppen gearbeitet, und es gehe nicht nur darum, Popularmusikprojekte an der eigenen Schule zu konzipieren und umzusetzen, sondern auch schlicht darum, selbst viel zu üben, etwa im Fach Klavierpraktikum oder Bandleading. Zudem schließen die im Lehrgang zu absolvierenden vier Wochenendblöcke pro Semester den Freitag mit ein, sodass die Pädagogen dafür auch die Genehmigung ihrer Direktoren einholen müssen.

Die Motivation der Teilnehmer für den ersten Lehrgang sei jedoch sehr hoch, berichtet Wieland. Etliche davon seien bereits privat in popularmusikalischen Bereichen tätig oder organisierten Abschlusskonzerte an ihren Schulen.

Authentische Vermittlung
Manchen Lehrern fehle aber schlicht das handwerkliche Rüstzeug, um diese Art von Musik authentisch in den Unterricht einzubringen. „Sie drehen YouTube auf und laden zum Karaoke-Singen ein oder spielen die CDs von Schulbuchverlagen ab.“ Um jene Musikstile, die die Lebenswelten junger Leute ausmachen, glaubhaft vermitteln zu können, brauche ein Musiklehrer ein gewisses Selbstbewusstsein, das nur durch eigenes Praktizieren entstehe. „Wir sind Musikerzieher, keine Popstars. Aber wir wollen erreichen, dass die Teilnehmer sicherer werden, vor allem im Gesang und am Klavier“, sagt Wieland. Besonders wichtig sei auch das Fach Songwriting. „Wenn jemand selbst schreiben und arrangieren kann, dann ist für ihn die Welt ohnehin schon offen.“ Um Singer-Songwriting und den gesamten kreativen Prozess geht es im Lehrgang während des dritten Semesters. Das erste Semester ist basalen Möglichkeiten des Einsatzes von Popularmusik in der Schule gewidmet. Im zweiten Semester werden die individuellen Fähigkeiten der Lehrer trainiert, die zum Schluss eines Band-Coaching-Projekts auch selbst auf die Bühne müssen. Im vierten und letzten Semester, in dem auch Exkursionen und Erfahrungsaustausch mit Schulen, die Erfahrung mit Popularmusik haben, auf dem Programm stehen, setzt jeder Lehrgangsteilnehmer schließlich in seiner Schule ein Projekt um. Im Lehrgang stehen den Pädagogen zahlreiche Künstler mit durchaus großen Namen zur Seite, darunter etwa Monika Ballwein, Christian Kolonovits, Stephan Gleixner oder Maya Hakvoort.

Implizit im Lehrplan gefordert
Der gekonnte, kreative Umgang mit Popularmusik sei zwar für Musikpädagogen nicht vorgeschrieben. Jedoch hat man laut Lehrplan Schülern Kompetenzen zu vermitteln, zu denen am Ende der achten Schulstufe zäht, „Musikbeispiele Kulturkreisen, Gattungen und Stilen zuzuordnen“ oder in der AHS am Ende der zwölften Schulstufe „ein Vokalrepertoire unterschiedlicher Stile und Kulturen melodisch und rhythmisch richtig sowie stilgerecht und textsicher zu singen“. Kein Musikerzieher könne sich also ausschließlich auf klassische Werke zurückziehen, sagt Donat. „Ich denke, dass es für die Zukunft als Musiklehrer unumgänglich ist, im Bereich der Popularmusik Wissen und Können aufzuweisen“, sagt Schönleitner.

Wieland, ebenfalls im Hauptberuf Musikerzieherin, verweist auf einen großen Vorteil von Popularmusik im Unterricht: „Man kommt viel leichter an Schüler heran. Wenn jemand einmal das Gefühl von Groove erlebt hat, dann spürt er diesen Groove auch bei Mozart oder Bach.“

 

Bericht von Erika Pichler – Quelle: https://diepresse.com/home/bildung/universitaet/5492935/Lehrer-lernen-die-Musik-ihrer-Schueler?from=suche.intern.portal